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Energiegenossenschaft Main-Kinzigtal e.G.

Die Genossenschaftsidee

Der folgende Text wurde aus: Jürgen Staab: Erneuerbare Energien in Kommunen. Energiegenossenschaften gründen, führen und beraten, 2. Auflage 2013, SpringerGabler Verlag, Wiesbaden, S. 14 – 21, entnommen.

Kurz zur geschichtlichen Entwicklung des Genossenschaftswesens

Zunächst ist es interessant, herauszufinden, welche Probleme es in der Vergangenheit zu lösen galt, als man sich für die Gründung einer Genossenschaft entschieden hatte, und welche Lösungswege im Einzelnen mit welchem Erfolg gewählt wurden.

Das Genossenschaftswesen hat eine sehr lange Geschichte. Frühe Formen von Genossenschaften entstanden, wo gesellschaftliche, rechtliche und politische Rahmenbedingungen wirtschaftliche Kooperationen ermöglichten. Ein Blick zurück in die Geschichte der Menschheit zeigt schon in frühester Zeit Gemeinschaftsbildungen, die in irgendeiner Weise den genossenschaftlichen Gedanken verkörperten. Selbst wenn die Erscheinungsformen der Genossenschaften des Altertums nur wenige Ähnlichkeiten mit den gegenwärtigen haben, ist es dennoch interessant, einige Beispiele zu nennen. So gab es im alten Ägypten Steuerpachtgenossenschaften für Wein- und Obstgärten und Ölsaatplantagen. Aus dem alten Israel sind genossenschaftliche Zusammenschlüsse wandernder Kleinviehzüchter, Fischer sowie Siedlungsgenossenschaften überliefert. Im antiken Griechenland gab es beispielsweise Genossenschaften im Bergbau und in der Fischerei. Das Römische Reich hatte vielfältige Formen von Vereinen und Verbänden, die Collegien, entwickelt. Handwerker, Schiffer, Ärzte, Künstler und andere Berufsgruppen waren in diesen Collegien zusammengeschlossen.

Auch die Germanen hatten genossenschaftliche Gemeinschaften gebildet, wie etwa die Markgenossenschaften zum gemeinschaftlichen Bewirtschaften von Feldern. Im Mittelalter entwickelten sich die teils aus der germanischen und teils aus der römischen Tradition stammenden Zusammenschlüsse weiter. Bekannt sind unter anderem Hof-, Wald-, Jagd- und Fischereigenossenschaften, aber auch Schöffengenossenschaften im Gerichtswesen. Vergleichbare Gemeinschaftsbildungen gab es auch in anderen Regionen Europas, so zum Beispiel in Schottland, Wales, Holland, Spanien, Italien und Russland.

Bei diesem historischen Rückblick darf man freilich nicht außer Acht lassen, dass die Rahmenbedingungen, unter denen sich die frühen Formen von Genossenschaften entwickelten, mit denen unserer Zeit nur wenig gemeinsam haben. Unser gegenwärtiges europäisches Denken wurzelt hauptsächlich in den Dieen der Aufklärung, die sich vor allem mit der Vorstellung von der Freiheit des Individuums und des freien Zusammenlebens in der Gemeinschaft in der Wirtschaftsverfassung niedergeschlagen hat. Diese Freiheit, die auch die Freiwilligkeit des Handels umfasst, finden wir erst in den Genossenschaften des 19. Jahrhunderts.

Genossenschaftswesen der Neuzeit

Insofern sind heute die Wurzeln des modernen Genossenschaftswesens bei den „Vordenkern“ Johann Heinrich Pestalozzi (1746 – 1827), Robert Owen (1771 – 1858) und Willliam King (1786 – 1865) sowie Victor Aimé Huber (1800 – 1869) zu sehen.

– Johann Heinrich Pestalozzi, ein Schweizer Sozialpädagoge, prägte mit seinen Erziehungsidealen nicht nur weltweit die spätere Schulpädagogik, sondern auch die Genossenschaftstheorie. Seine Forderung, dass der Mensch sich möglichst selbst helfen und nicht auf die Hilfe anderer bauen soll, bildet den ersten Grundwert des Genossenschaftswesens: das Prinzip der Selbsthilfe. Gewährte Hilfe sollte demnach nur „Hilfe zur Selbsthilfe“ sein.

– Robert Owen, ein englischer Selfmademan, entwickelte aufgrund seiner Erfahrungen mit der Industrialisierung Großbritanniens sozial geprägte Zusammenarbeitsformen. Wenngleich seine Vorstellungen von einer „New Harmony“ und einer „Gesellschaft der Gleichheit“ eher der frühkommunistischen Gedankenwelt zuzuordnen sind, so beförderte seine Initiative jedenfalls die verstärkte Auseinandersetzung mit geeigneten Kooperationsformen.

– William King, ebenfalls ein Engländer, setzte sich mit den zeitgenössischen Dieen und Versuchen, vor allem mit Owens Initiative auseinander. Angesichts der sozialen Probleme in Großbritannien war er – ebenso wie Owen – zunächst von sozialistischen Ideen geprägt. Im Sinne Pestalozzis erkannte er jedoch, dass nur die auf Selbsthilfe beruhende Zusammenarbeit der Arbeiter und Handwerker erfolgversprechend ist. King veröffentlichte regelmäßige beiträge in der 1828 erstmals erschienenen Zeitschrift „Co-operative Magazine“ und regte so zu zahlreichen Genossenschaftsgründungen an. Binnen zweier Jahre arbeiteten in England bereits 300 Genossenschaften nach dem von King vorgestellten Modell der Sussex General Co-Operative Trading Association. Mit zumindest indirekter Unterstützung Kings gründeten „Die redlichen Pioniere von Rochdale“ 1844 die erste Konsumgenossenschaft nach den Prinzipien der Freiwilligkeit, der Selbstverwaltung und der Verteilung der Überschüsse an die Mitglieder.

– Victor Aimé Huber, ein Wissenschaftler und Sozialpolitiker, ist gewissermaßen der deutsche Genossenschaftspionier. Während seiner Reisen nach England sah er dort nicht nur das Elend der Menschen in der Industrialisierungsphase, sondern er lernte auch die Theoretischen und praktischen Genossenschaftsmodelle kennen. 1848 erschien seine viel gelesene Broschüre „Die Selbsthilfe der arbeitenden Klassen durch Wirtschaftsvereine und innere Ansiedlung“. Huber unterschied „ökonomische“ und „industrielle Assoziationen“. Die ökonomischen Assoziationen umfassten Kredit- und Distributionsgenossenschaften, insbesondere Konsum- und Wohnungsgenossenschaften. Die industriellen Assoziationen können als Vorläufer der Produktivgenossenschaft gelten. Alle Assoziationen sollten nach Huber vom christlichen Geist der „inneren Mission“ geprägt sein. Sein schon von Owen beschriebenes Idealbild der Siedlungsgenossenschaft stand – freilich unter anderen Vorzeichen – Pate für die neuzeitlichen Gründungen der israelitischen Kibbuze.

Die Ideen der frühen Genossenschaftstheoretiker wurden ab der Mitte des 19. Jahrhunderts mehr und mehr von den sozialistischen Sozialpolitikern absorbiert. Karl Marx, Friedrich Engels und auch Ferdinand Lasalle griffen zwar die verschiedenen Genossenschaftsmodelle auf, nicht jedoch deren Prinzip der Selbsthilfe des freien Individuums. Für sie waren Genossenschaften in erster Linie ein Mittel, um eine sozialistische, staatlich gelenkte Wirtschaftsordnung zu schaffen. Der Begriff „Genossenschaft“ ist daher insbesondere in den ehemaligen sozialistischen Gesellschaften nach wie vor negativ belegt.

Es war schließlich das Verdienst von Hermann Schulze-Delitzsch (1808 – 1883) und Friedrich Wilhelm Raiffeisen (1818 – 1888), die Genossenschaftsidee „vom Gespenst des Kommunismus“ zu befreien, sie liberal neu zu definieren und somit die Brücke zwischen sozialpolitischen und marktwirtschaftlichen Herausforderungen zu schlagen. Ihr Genossenschaftsmodell fand rasch viele Anhänger und verbreitete sich über die ganze Welt.

Der Durchbruch mit Schulze-Delitzsch und Raiffeisen

Hermann Schulze aus dem kleinen sächsischen Ort Delitzsch war während der Revolutionszeit 1848 liberaler Abgeordneter in der Preußischen Nationalversammlung. Als Mitglied einer Kommission für Handwerksangelegenheiten lernte er die Probleme des Mittelstandes in der aufkommenden Industrialisierung Deutschland kennen. Die Handwerker konnten sich gegen die technisch und kaufmännisch überlegenen Industrieunternehmen immer weniger durchsetzen. Schulze – später nach seinem Geburtsort im sächsischen Delitzsch „Schulze-Delitzsch“ benannt – kannte auch die aktuellen Theorien und praktischen Gründungen von Genossenschaften in England und Frankreich. In diesen „Assoziationen“ sah er, wie viele Kleine durch die Bündelung der Kräfte die Wirkung eines Großen erzielen konnten. Seiner liberalen Grundhaltung zufolge war er allerdings im Gegensatz zu den praktizierten Modellen der Auffassung, dass die Gebilde nicht durch staatliche Hilfe – quasi „von oben“ – gegründet werden sollten, sondern durch freiwilligen Entschluss der Betroffenen selbst, also eine Bewegung „von unten“.

In diesem Sinne regte Schulze-Delitzsch 1849 in Delitzsch die Gründung sogenannter Rohstoffassoziationen für Tischler und Schumacher an. Ihre Zielsetzung war es, durch den gemeinsamen Rohstoffeinkauf die Kosten zu senken und somit auch eine günstigere Wettbewerbsposition gegenüber den Fabriken zu schaffen. Bald zeigte sich, dass mit dieser Lösung nicht nur Kostenvorteile, sondern auch zusätzliche Absatzchancen erreicht werden konnten.

Zunächst war der Erfolg der neuen Genossenschaften begrenzt. Sie hatten Schwierigkeiten, an Kapital zu gelangen. Der Versuch, einen Kreditverein zugunsten der „Bedürftigen“ zu gründen, scheiterte bereits 1850. Schulze-Delitzsch zog jedoch hieraus die Lehre und schlug im selben Jahr eine Kreditgenossenschaft vor, in der Kreditnehmer zugleich Mitglieder waren und mit ihrem gesamten Vermögen für die Verbindlichkeiten der Genossenschaft hafteten. Diese genossenschaftliche Solidarhaftung ermöglichte es, das benötigte Kapital aufzubringen. Die Mittelvergabe wurde streng kontrolliert. Die von Handwerkern gegründeten Kreditgenossenschaften erhielten bald den Namen „Volksbanken“.

In mehreren Veröffentlichungen propagierte Schulze-Delitzsch seine Form der Assoziation mit den Prinzipien

  • Selbsthilfe
  • Selbstverwaltung
  • Selbstverantwortung

Die Genossenschaftsidee fand rasch Anhänger, und es folgten zahlreiche Gründungen zunächst im damaligen Preußen, dann im Deutschen Reich und in Österreich mit den habsburgischen Kronländern.

Als die Zahl der Genossenschaften zunahm, erkannte man den Bedarf zentraler Einrichtungen, um die neu gegründeten Einheiten in allen organisatorischen und grundsätzlichen geschäftlichen Fragen zu beraten und für einen Liquiditätsausgleich zu sorgen. Als Problemlösung empfahl Schulze-Delitzsch die Bildung eines Vereins für die einzelnen Genossenschaften sowie einer Genossenschafts-Zentralkasse.

1859wurde mit dem „Centralkorrespondenzbureau der deutschen Vorschuß- und Kreditvereine“ der erste Genossenschaftsverband gegründet.

Um die Volksbanken im Liquiditätsausgleich von genossenschaftsfremden Privatbanken unabhängig zu machen, gründete man 1865 die erste deutsche Genossenschafts-Zentralkasse, die „Deutsche Genossenschaftsbank von Soergel, Parrisius & Co.“, Berlin, in der Rechtsform einer Kommanditgesellschaft auf Aktien. Die Herren Soergel und Parrisius, die der Genossenschaftsbewegung angehörten, fungierten als persönlich haftende Gesellschafter.

Ein besonderes Anliegen von Schulze-Delitzsch war es, die Rechtsfähigkeit der Genossenschaften durch ein spezielles Gesetz sicherzustellen. Auf sein politisches Betreiben als Abgeordneter wurde 1867 das Preußische Genossenschaftsgesetz erlassen, das im Jahr 1871, nach der Gründung des Deutschen Reiches, Reichsgesetz wurde.

Friedrich Willhelm Raiffeisen, ein tief religiöser Mann, war als Bürgermeister der kleinen ländlichen Gemeinden Weyerbusch, Flammersfeld und Heddesdorf im Westerwald mit den Nöten der Bauern vertraut. Soziale und wirtschaftliche Probleme aus der Bauernbefreiung und mehrfache Missernten führten zu einer teilweisen Verelendung auf dem Lande. Die Bauern hatten kein Geld mehr, um Saatgut, Vieh und andere Betriebsmittel zu erwerben. Soweit Banken überhaupt Kredit gewährten, geschah dies zu unerträglichen Wucherzinsen und endete schnell mit dem Verlust des Hofes.

Von christlichen Motiven der Nächstenliebe geprägt, gründete Raiffeisen zunächst Wohltätigkeitsvereine, in denen Wohlhabende den Ärmeren Hilfe leisteten. Es waren dies der „Weyerbuscher Brodverein“ (1846), der „Flammersfelder Hilfsverein für unbemittelte Landwirte“ (1849) und der „Heddesdorfer Wohltätigkeitsverein“ (1854). Nach anfänglichen Erfolgen erwiesen sich die Vereine jedoch als nicht überlebensfähig. Raiffeisen erkannte, das Wohltätigkeit durch die Prinzipien der Selbsthilfe auf Gegenseitigkeit ersetzt werden musste.

Nach Schriftwechsel mit dem im Bereich des Handwerks erfahrenen Schulze-Delitzsch, der missbilligend auf die wohltätigen Vereine reagiert hatte, gründete Raiffeisen 1862 die erste ländliche Kreditgenossenschaft, den „Anhausener Darlehenskassenverein“. Auch hier galt solidarische Haftung der Mitglieder, und es bestanden geringe Kreditrisiken, denn die Verhältnisse der Kreditnehmer und Mitglieder im überschaubaren dörflichen Umfeld waren bekannt. Daher entwickelte sich der Darlehenskassenverein sehr positiv und bewährte sich als Problemlösung für die ländliche Bevölkerung.

Im Gegensatz zu den Kreditgenossenschaften nach dem Modell Schulze-Delitzsch sah Raiffeisen für die zum großen Teil verarmten ländlichen Mitglieder des Darlehenskassenvereins zunächst weder Eintrittsgelder noch Mitgliedseinlagen vor. Das Kapital der Genossenschaft sollte durch die Einbehaltung von Überschüssen gebildet werden. Konsequenterweise sollte es auch keine Gewinnausschüttungen an die Mitglieder geben.

Doch bald zeigte sich, dass so das notwendige Kapital nicht aufgebracht werden konnte. In seinem 1866 erschienenen Buch „Die Darlehenskassenvereine als Mittel zur Abhilfe der Noth der ländlichen Bevölkerung, soiwe auch der städtischen Handwerker und Arbeiter“ empfiehlt Raiffeisen daher, dass jedes Mitglied ein Eintrittsgeld und eine Einlage leisten sollte.

Über die Kreditvergabe hinaus betrieben die neu gegründeten Genossenschaften bald auch den zentralen Einkauf landwirtschaftlicher Waren. Sie versorgten die Bauern somit nicht nur mit Krediten, sondern auch mit kostengünstigen Betriebsmitteln. Die später sogenannte gemischte Kreditgenossenschaft, Geld und ware unter einem Dach, war geschaffen.

Dem Bedarf der rasch zunehmenden Zahl an Raiffeisenbanken entsprechend wurden auf Betreiben von Raiffeisen Zentraleinrichtungen und ein Verband geschaffen:

  • Rheinische Landwirtschaftliche Genossenschaftsbank eG in Neuwied als regional tätige Zentralkasse
  • Deutsche Landwirtschaftliche Generalbank eG zu Neuwied als Geldausgleichsstelle für regionale Zentralkassen des Deutschen Reichs
  • Anwaltschaftsverband ländlicher Genossenschaften als Genossenschaftsverband
  • Warenzentrale Raiffeisen, Faßbender & Cons.

Damit wurden die Grundlagen für einen großen genossenschaftlichen Verbund gelegt, der mehrstufig und subsidiär aufgebaut ist. Die Basis und erste Stufe bilden die örtlichen Genossenschaften. Sie tragen die zweite Stufe der regionalen Zentralkassen und Warenzentralen. Die dritte Stufe, getragen wiederum von der zweiten, bilden nationale Institutionen.

Für ergänzende Bedarfe der Genossenschaften und ihrer Mitglieder initiierte Raiffeisen spezialisierte Unternehmungen wie die Raiffeisendruckerei GmbH, welche die erste eigene Fachzeitschrift, das „Landwirtschaftliche Genossenschaftsblatt“, druckte und herausgab.

Das „Modell Raiffeisen“ verbreitete sich im ländlichen Bereich „in Windeseile“ und wurde weltweit als adäquate Problemlösung angenommen.[1]

Die jetzige Form der Genossenschaft

Die Genossenschaft gehört vom Wesen her zu den Vereinen. Da sie aber in der Regel wirtschaftliche Zwecke verfolgt und am Geschäftsverkehr teilnimmt, können für sie die Vorschriften des Bürgerlichen Gesetzbuches (§§ 21-79 BGB), die fast ausschließlich für idealistische („nichtwirtschaftliche“) Vereine gilt, nur ergänzend herangezogen werden. Neben der zwingenden Verpflichtung, die Wirtschaft der Mitglieder zu fördern, ist es der Genossenschaft seit der Gesetzesreform im Jahre 2006 gestattet, auch deren sozialen und kulturellen Belange durch gemeinschaftlichen Geschäftsbetrieb Rechnung zu tragen. Weitere Neuerungen der Gesetzesnovelle von 2006 liegen in der Vereinfachung der Gründungsvoraussetzungen insbesondere für kleine Genossenschaften sowie in den flexibleren Gestaltungsmöglichkeiten der Satzung verankert. Nicht zuletzt sollte dabei der Gedanke der Hilfe zur Selbsthilfe neu belebt werden. Der gemeinschaftliche Geschäftsbetrieb, der laut §1 Abs. 1, Genossenschaftsgesetz (GenG) die Mitglieder fördern soll, ist dadurch eine zum Wohle der Mitglieder angelegte Gesellschaft, die eine gleichberechtigte Teilnahme aller Mitglieder unabhängig von der Höhe der Einlage an der Entscheidungsfindung vorsieht. Dabei lässt sich die Haftung in der Satzung auf die Höhe der Einlage beschränken.

Nachfolgend ist in einer Tabelle die besondere Stellung der Genossenschaft als Mischtyp zwischen Personengesellschaft und Kapitalgesellschaft dargestellt:[2]

Element Personengesellschaft Genossenschaft Kapitalgesellschaft
Gesellschaftszweck Jeder erlaubte Zweck Förderung der
Mitglieder
Jeder erlaubte Zweck
Gesellschaftsvermögen Kapitalbeiträge der
Gesellschafter und Rücklagen als gemeinsames Vermögen der Gesellschafter (Gesamthandsvermögen)
Kapitalbeiträge:
kündbar

Rücklagen:
gemeinsames Vermögen der Gesellschafter

Festes, in Aktien zerlegtes Grundkapital als Vermögen der Gesellschaft für die Dauer ihres Bestehens
Organisationsstruktur Vertragsfrage, im Gesellschaftsvertrag zu regeln Körperschaftliche
Verfassung, Satzung,
Organe
Körperschaftliche
Verfassung, Satzung, Organe
Mitgliedschaftsrechte Personenbezogen, Kopfstimmrecht, Rechte auf Teilnahme und Teilhabe Personenbezogen, Kopfstimmrecht,
Rechte auf Teilnahme und Teilhabe
Kapitalbezogen, Kapitalstimmrecht, Kapitaldividende, in Aktie als Wertpapier verbrieft
Mitgliedschaftspflichten Persönliche Mitwirkung und/oder Kapitalbeitrag für die Dauer der Gesellschaft Persönliche Mitwirkung und Kapitalbeitrag für die Dauer der Mitgliedschaft, Nutzung der genossenschaftlichen Einrichtungen Leistung des Kapitalbeitrags, keine weiteren Pflichten
Mitgliederwechsel Löst in der Regel die
Gesellschaft auf
Möglich und typisch Möglich und typisch
Beendigung der
Mitgliedschaft
Löst in der Regel die
Gesellschaft auf
Kündigung mit Kündigungsfrist, Ausschluss u. a. Verkauf der Aktie
Prüfung Vertragsfrage Gesetzlich vorgeschrieben, Verbandsprüfung, formelle und materielle Prüfung mit Bewertung der Erfüllung des Förderzwecks Gesetzlich vorgeschrieben durch Wirtschaftsprüfer, formelle Prüfung der Gesetzmäßigkeit und Ordnungsmäßigkeit

Da nach Schätzungen der Boston Consulting Group allein bis 2020 der Anstieg der dezentralen Stromerzeugung auf rund 40% an der installierten Kraftwerkskapazität steigen soll, ergeben sich hier ungeahnte Möglichkeiten für die Gründung von insbesondere Energiegenossenschaften.[3] So wurden bereits allein 2009 schätzungsweise 150 Energiegenossenschaften ins Leben gerufen. Per Ende 2012 waren es weit über 600 Energiegenossenschaften mit über 80.000 Mitgliedern, die weit über 800 Millionen Euro in diesem Sektor investiert hatten. Schon aufgrund des demokratischen Aufbaus der Genossenschaft liegt sie näher an den Zielen und Wünschen der Bürger für eine Neuausrichtung der Energieversorgung. Alle Genossenschaftsmitglieder haben unabhängig von ihrer Einlage das gleiche Stimmrecht, so dass die Einflussmöglichkeiten einzelner Mitglieder beschränkt bleiben.

So beschreiben die Autoren George, Bonow und Weber[4] die Alleinstellungsmerkmale von Genossenschaften gegenüber anderen Wirtschaftformen zusammengefasst folgendermaßen:

a)  Geringer Eigenkapitalbedarf

b)  Geringe Gefahr von fremdgesteuerten Übernahmen

c)  Gute Möglichkeiten der Kreditbeschaffung

d)  Das Personenstimmrecht

e)  Geringe Insolvenzgefährdung infolge eines arteigenen Verbandsprüfungswesens

f)   Gemeinsamer Fördergeschäftsbetrieb mit den eigenen Mitgliedern

Die Vorteile der genossenschaftlichen Rechts- und Unternehmensform liegen so zusammengefasst in den demokratischen Strukturen, der Haftungsbeschränkung auf die Einlage, die unkomplizierte Gründung und die flexible Handhabung von Mitgliederveränderungen. Damit wird die Genossenschaft zur idealen Rechtsform für die Bündelung regionalen Bürgerengagements bei der Nutzung der erneuerbaren Energien mit dem Ziel, die Energieversorgung auf eine neue Basis zu stellen.


[1]     Eichwald, Berthold /Lutz, Klaus Josef: Erfolgsmodell Genossenschaften – Möglichkeiten für eine wertorientierte Marktwirtschaft, Wiesbaden 2011, S. 27 – 40

[2]     Grosskopf, Werner / Münckner, Hans-H. / Ringle, Günther: Unsere Genossenschaft: Idee – Auftrag – Leistungen, Wiesbaden 2009, S. 37

[3]     Berg, Thomas: Vertrieb Energiegenossenschaften: Entwicklungspotential, regionale Wertschöpfung und Multiplikation der Energiegenossenschaften, in: George, Wolfgang (Hrsg.): Regionales Zukunftsmangement (Band 4); Kommunale Kooperation, Lengerich 2010, S. 279

[4]     George, Wolfgang / Bonow, Martin / Weber, Heinz-Otto: Regionale Energieversorgung als Chance zukunftsfähiger Ziel- und Ressourcensteuerung in der Energiewirtschaft, in: George, Wolfgang / Bonow, Martin (Hrsg.): Regionales Zukunftsmanagement (Band 2); Energieversorgung, Lengerich 2008, S. 48